Die Spuren der ältesten Familien

Die Informationen über Vorfahren in der neunten Generation oder noch weiter zurückliegenden Generationen sind sehr spärlich. Hauptgrund dafür ist, dass aus vielen Kirchspielen keine Kirchenbücher aus dieser Zeit überliefert sind. Ein weiterer Grund ist die Unklarheit, die durch die inkonsequente Namensgebung zu dieser Zeit entsteht sowie deren inkonsistente Schreibweise. Mit großer Wahrscheinlichkeit waren diese Vorfahren weder Hausleute noch Erbpächter sondern eher Pächter auf Zeit, Warfsleute oder Tagelöhner. Ansonsten wären sie namentlich in den Registern für Kopfschatzungen von 1702 oder 1719 aufgelistet gewesen. Daher bleiben nur zwei Vermutungen übrig:

    Coldam war 1719 eine kleine Siedlung im Bingumer Kirchspiel. Als Eigner wurden dort damals für die Kopfschatzung von 1719 Johann Jacobs mit 44,5 Grasen und Tjabbe Eggen mit 25,5 Grasen erfasst; als Heuerleute Gerd Ennen mit 26 Grasen und sein Bruder Ahlrich mit 35 Grasen. Zu diesen vier Familien gehörten insgesamt 4 Mägde und 1 Knecht, die namentlich nicht genannt waren. Weiterhin 15 namentlich genannte Warfsleute, Tagelöhner und Arme. Davon fällt ein Name auf: Eýlert Tiens Witwe, die dort mit einem Kind über 12 Jahre lebte. Es könnte sein, dass dieses Kind mein Obergroßvater Tönjes Eýlderts gewesen ist. In diesem Falle wäre er vor 1707 geboren worden, was zeitlich passen würde. Sein Vater Eýlert Tiens war 1719 schon verstorben. Seine Mutter, besagte Witwe, wäre vor 1760 verstorben, da ab diesem Zeitpunkt ein Kirchenbuch überliefert ist und dort aber keine Spuren mehr zu finden sind.

    Esklum lag am gegenüberliegenden, rechten Ufer der Ems und beheimatete 14 Hausleute oder Heuerleute mit Grundstücken in der Größe von 18 bis 53 Grasen. Es war zudem ein Pfarrdorf mit eigener Kirche und Wohnung von den Geistlichen. Der Tagelöhner Weyert Euwen wäre hier der einzige, der gemäß der patronymischen Namensgebung als Vater meiner Obergroßmutter in Frage käme. Im Gegensatz zu Coldam ist hier aber ein Kirchenbuch vorhanden und dort ist Weyert Euwen als Wyard Euwen tatsächlich erfasst (ein weiterer Beleg für inkonsistente Wiedergabe der Name). Unter Nummer [OSB Esklum 283] ist dort seine Familie erfasst, allerdings nur mit zwei Kindern: Ewe und Sjamke - zwei Namen die sich im Stammbaum nicht wiederholen. Es ist eher wahrscheinlich, dass meine Obergroßmutter aus Familie [OSB Esklum 1313] stammt: Vater Jan Wyards, Esklum, verheiratet am 20.4.1701 in Esklum mit Reenste Berents. Sie hatten drei Kinder: Martjen, ~ 10.9.1701 in Esklum, Talke ~ 1.6.1704 in Esklum und Weyert, * 22.10.1706. Nachnamen waren im Kirchenbuch offensichtlich nicht eingetragen, was die Verfasser des Ortssippenbuches möglicherweise veranlasst hatte, die patronymische Regel zur Anwendung zu bringen. Alle drei Kinder wurden also zu Janssen und tauchen in der Liste der Töchter und Söhne auf, deren Verbleib unklar ist. Es ist aber wenig wahrscheinlich, dass gleich alle drei Kinder vom Erdboden verschwinden. Daher könnte es auch sein, dass diese Kinder den Nachnamen des Vaters beibehalten haben. In dem Falle könnte besagte Talke meine Obergroßmutter Taalke Wyards sein. Als diese später meinen Obergroßvater heiratete, wird Weekeborg als Herkunftstort eingetragen. Dieser Ort könnte der Geburtsort sein, aber auch der Wohnort zum Zeitpunkt der Verlobung. Wenn es der Geburtsort wäre, dann wäre unklar, warum in Esklum geheiratet worden ist, insbesondere weil mit Weyert ein Kind der beiden in Grothegaste eingetragen ist. Weekeborg gehörte zu Driever und dort beginnt das Ortssippenbuch erst 1767. Das Register für die Kopfschatzung von 1719 enthält keine passenden Namen, so dass ich o.a. Annahme für plausibel halte.

Damit wären wahrscheinlich meine Oberurgroßeltern mütterlicherseits Eýlert Tiens und Frau aus Coldam sowie Jan Wyards und Reenste Berents aus Esklum. Sie lebten in Zeiten großer Not, verursacht durch Seuchen, Plagen und Missernten, die den Viehbestand dramatisch reduzieren, Ernten zerstören und Hungersnöte hervorrufen sollten. Am schlimmsten sollte sie jedoch die Weihnachtsflut von 1717 treffen sowie die Nachfolgefluten von 1718 und 1720, die vieles Land in Ostfriesland auf Jahre unbrauchbar machen sollten.

Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 07 Februar, 2016.
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